Getrocknete Kräuter und kleine Glasfläschchen

Phytotherapie

Über die längste Zeit der Medizingeschichte hinweg waren Pflanzen die wichtigsten Arzneimittel überhaupt. Mit dem Aufkommen der modernen Pharmakologie im späten 19. Jahrhundert sind sie ein bisschen in den Hintergrund getreten, haben aber auch heute noch ihre Berechtigung.

Im Unterschied zu den chemisch definierten Einzelsubstanzen ist ein pflanzliches Arzneimittel ein Gemisch von Hunderten von Inhaltsstoffen. Von den Pflanzen werden Blätter, Blüten, Rinden oder Wurzeln verwendet. Sie werden dabei als Tee, für Umschläge, in Form von pulverisierten oder alkoholischen Extrakten, als Tabletten, Salben oder nach einer Destillation als ätherische Öle angewendet.

Für viele Pflanzenpräparate gibt es inzwischen auch gut dokumentierte Studien, die ihre Wirksamkeit belegen. Im Bereich der psychischen Krankheiten sind dies etwa Baldrian und Hopfen bei Schlafproblemen, Ginkgo bei nachlassender geistiger Leistungsfähigkeit, Lavendel bei Ängstlichkeit und innerer Unruhe oder Johanniskraut bei depressiver Stimmung.

 

Phytopharmaka haben grundsätzlich dieselben Risiken wie alle Arzneimittel, sie sind im Vergleich mit den chemisch definierten Wirkstoffen in der Regel aber besser verträglich und risikoärmer. Neben den eigentlichen Inhaltsstoffen, die auf verschiedene Strukturen im menschlichen Körper wirken, werden durch den Geschmack beispielsweise beim Teetrinken oder durch den Geruch beim Riechen von ätherischen Ölen verschiedene Sinne angesprochen. Pflanzliche Arzneimittel wirken so auf eine gewisse Weise vielschichtiger als die chemischen Medikamente.

Und nicht zuletzt erzählen Arzneimittelpflanzen auch immer eine Geschichte, wie beispielweise das Johanniskraut, dessen Name daher stammt, dass die Pflanze um das Fest des Geburtstags Johannes des Täufers am 24. Juni blüht. Sie erzeugt also ihre Inhaltsstoffe, wenn die Sonnenscheindauer bei uns maximal ist. Wenn man die gelben Blüten zwischen den Fingern zerreibt, tritt das rot gefärbte Hypericin aus, das in der Volksmedizin als «Blut des Heiligen Johannes» bezeichnet wurde. Wenn also dunkle Gedanken die Stimmung eintrüben oder im Winter eine saisonale Depression auftritt, kann man mit der Einnahme von Joahnniskrautextrakten sozusagen gespeicherte Sonnenstrahlen zu sich nehmen. Wahrlich ein heilsamer Gedanke!

Autor*innen

  • Dr. Georg Schönbächler

    Klinik-Apotheker

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