Paartherapie bei psychischen Störungen: Alles spricht für einen stärkeren Einbezug von Bezugspersonen

Psychische Störungen werden noch immer stark Individuum-zentriert verstanden und behandelt. Dabei liegt seit Jahren eine konsistente und eindrückliche Befundlage vor, wonach individuelle Psychopathologien mit sozialen Beziehungen in hohem Masse zusammenhängen.

Prof. Dr. Guy Bodenmann, Ordinarius für Klinische Psychologie an der Universität Zürich

Privatklinik Hohenegg

Was im bio-psycho-sozialen Störungsmodell eigentlich berücksichtigt wird, nämlich die soziale Komponente von psychischen Störungen, findet im therapeutischen Alltag nur sehr bedingt Anwendung.

Soziale Beziehungen spielen für die physische Gesundheit, das psychische Befinden und die Lebensdauer eine Schlüsselrolle. So zeigt eine Meta-Analyse, dass die stärksten Prädiktoren für Mortalität eine mangelnde soziale Integration oder fehlende soziale Unterstützung sind. Innerhalb sozialer Beziehungen sind Partnerschaften am wichtigsten. Unglückliche Paarbeziehungen erhöhen das Risiko für psychische Störungen signifikant und hängen mit dem Beginn, dem Schweregrad, dem Verlauf, der Remission und der Rückfallwahrscheinlichkeit psychischer Störungen signifikant zusammen. Nach einer erfolgreichen Remission einer Depression ist das Rückfallrisiko sechsfach höher bei Personen, die in einer unglücklichen Partnerschaft leben.

Vor dem Hintergrund des Forschungsstandes wäre es daher indiziert, den Partner oder die Partnerin in die Behandlung einzubeziehen. Allerdings nicht mit der Annahme, dass wir es mit einem kranken und einem gesunden Partner zu tun haben, da bis zur Hälfte der Partnerinnen und Partner ihrerseits klinisch auffällig sind. Geeigneter ist der Ansatz der «We-Disease», worin man davon ausgeht, dass beide Partnerinnen und Partner unter der psychischen Störung des einen leiden, dass aber auch beide Ressourcen haben, welche für eine nachhaltige Remission genutzt werden können. Es gilt, beiden die Gelegenheit zu geben, über ihr Erleben zu sprechen und das Paar darin zu stärken, sich als Team der Herausforderung zu stellen. Dies kann mittels einer Paartherapie erfolgen oder durch den regelmässigen Einbezug des Partners/der Partnerin in die individualtherapeutische Behandlung.  Als ideal erweisen sich Paarsitzungen jedes vierte Mal.

Durch den Einbezug des Partners/der Partnerin kann die Compliance gefördert und der Therapieerfolg erhöht werden. Therapieabbrüche werden reduziert und durch die Verbesserung der Beziehungsqualität das Rückfallrisiko gesenkt. All dies spricht für einen stärkeren Einbezug wichtiger Bezugspersonen.

 

Portrait

Prof. Dr. Guy Bodenmann, Ordinarius für Klinische Psychologie an der Universität Zürich ist Mitglied des wissenschaftlichen Beitrates der Privatklinik Hohenegg. Er ist spezialisiert in der Stressforschung bei Paaren und hat das Konzept des Dyadischen Copings (wie Paare gemeinsam mit Stress umgehen) entwickelt, auf dem seine bewältigungsorientierte Paartherapie und sein Präventionsprogramm Paarlife basieren. Er ist Autor von über 300 wissenschaftlichen Publikationen und 25 Büchern. Sein letztes Buch «Streitet Euch» plädiert dafür, Störendes frühzeitig anzusprechen und Konflikte nicht zu vermeiden.

Autor*innen

  • Prof. Dr. Guy Bodenmann

    Ordinarius an der Universität Zürich, Psychotherapeut und Fachpsychologe für Psychotherapie FSP

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