Depressionen gehen mit kognitiven Defiziten und einem auffälligen Gangbild einher

Anlässlich des Syposiums «Flexibilität: Geistige und körperliche Bewegung in der Psychotherapie» am 5. September 2024 haben Dr. Emanuel Brunner und Prof. Dr. Eling de Bruin zum Potential von Bewegung referiert.

Der allgemeine Wirkeffekt des körperlichen Trainings bei der Prävention und Behandlung von Depressionen ist bereits gut belegt. Neue Forschungsergebnisse geben Hinweise darauf, dass Depressionen unter anderem auch mit kognitiven Defiziten und einem auffälligen Gangbild einhergehen. Diese Erkenntnisse bilden eine vielversprechende Grundlage zur Entwicklung patientenspezifischer Interventionen, ausgerichtet auf die körperlichen und mentalen Eigenschaften der Betroffenen.

Passiver Lebensstil erhöht Risiko, psychisch zu erkranken

Menschen mit passivem Lebensstil haben ein erhöhtes Risiko, psychisch zu erkranken. Der präventive Effekt körperlicher Aktivität ist bei Depression besonders stark. Wer die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für ein gesundes Aktivitätslevel erfüllt (150 Minuten moderate Aktivität pro Woche), hat im Vergleich zu Personen mit niedrigem Aktivitätslevel eine um 22 % reduzierte relative Chance, eine Depression zu entwickeln. Die fehlende körperliche Aktivität wirkt sich negativ auf die körperliche Fitness und Gesundheit aus. Menschen mit Depressionen sind weniger fit und weisen ein höheres kardiovaskuläres Risiko auf. Tatsächlich leiden Patientinnen und Patienten mit Depressionen häufiger an kardiovaskulären Krankheiten und haben auch eine höhere Mortalität als gesunde Kontrollpersonen. Diese Zusammenhänge zwischen Depressionen, Bewegung und der körperlichen Gesundheit sollten in der psychiatrischen Versorgung die klinische Aufmerksamkeit erhalten, die sie verdient.

Bei Patientinnen und Patienten mit Depressionen hat die Integration von Trainingsprogrammen in die multimodale Behandlung einen grossen Effekt. Untersuchungen zeigen, dass alle Trainingsformen positive Effekte zeigen, einschliesslich Ausdauer- und Krafttraining oder auch Mind-Body-Interventionen wie zum Beispiel Yoga. Allerdings scheinen Trainingsinterventionen mit einer hohen Intensität besonders wirkungsstark zu sein. Trainingsinterventionen sind für Patientinnen und Patienten mit Depressionen eine vielversprechende Behandlungsoption, die gar von einer Mehrheit der Patientinnen und Patienten gegenüber der antidepressiven Medikation bevorzugt wird.

Aufschlussreiche Ganganalyse

Der Gang widerspiegelt die Funktionsfähigkeit höherer Gehirnsysteme, in denen Menschen mit Depressionen spezifische Defizite aufweisen. Mit einer Ganganalyse, kombiniert mit körperlichen und kognitiven Messungen, lässt sich erkennen, ob eine Person an depressiven Symptomen leidet oder nicht. Das Interesse für die Ganganalyse in der Psychiatrie und generell für messbare körperliche und kognitive Parameter wächst. Dennoch besteht noch immer ein Mangel an Untersuchungen zur Objektivierung dieser Faktoren.

Das Training zur Verbesserung von kognitiven Funktionen scheint am wirkungsvollsten zu sein, wenn es simultan zu einem motorischen Training stattfindet. Für dieses kognitiv-motorische Training können unter anderem interaktive Fitnessspiele – sogenannte «Exergames» – genutzt werden. Diese Trainingsformen zeigten eine Verbesserung der kognitiven und körperlichen Funktionen bei unterschiedlichen Patientengruppen mit kognitiven und motorischen Defiziten. Ziel der aktuellen Forschung ist es, die motorisch-kognitiven Trainingsprinzipien zur Behandlung von Depressionen zu nutzen.

Literatur-Empfehlungen:
· Stubbs, B., & Rosenbaum, S. (Hrsg.). (2018). Exercise-based interventions for mental illness: Physical activity as part of clinical treatment. Academic Press.
· Biddle, S. J. H., Mutrie, N., Gorely, T., & Faulkner, G. (2021). Psychology of physical activity: Determinants, well-being, and interventions (4. Aufl.). Routledge.
· Budde, H., & Wegner, M. (Hrsg.). (2018). The exercise effect on mental health: Neurobiological mechanisms. Routledge.

Autor*innen

  • Dr. Emanuel Brunner

    Physiotherapeut, Experte im Bereich Mental Health

  • Prof. Dr. Eling de Bruin

    Tutor an der ETH Zürich im Msterstudiengang MSc HAST, ausserordentlicher Professor an der Universtität Maastricht

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