Die Kraft von Bewegung und Kreativität

Anlässlich des Syposiums «Flexibilität: Geistige und körperliche Bewegung in der Psychotherapie» am 5. September 2024 hat Kalila Homann, MA, LPC-S, BC-DMT unsere stärksten Erinnerungen die verkörpert sind aufgezeigt.

Bewegung ist grundlegend für unser Selbstgefühl und unsere verkörperte Existenz. Nach jahrzehntelanger Forschung ist klar, dass das Gehirn durch Informationen aus dem Körper organisiert wird. Informationen aus der Umwelt gelangen über die verkörperten Sinne zum Geist, und der Geist bzw. das Gehirn sendet Energie an den Körper und setzt sich durch Bewegung mit der Welt auseinander. Im Folgenden zeigen wir, wie Vitalität und Ausgeglichenheit durch Kreativität und Bewegung geweckt und unterstützt werden können.

Der Körper wird immer in der Gegenwart wahrgenommen. Den Geist einzuladen, sich während der Bewegung mit dem Körperbewusstsein zu verbinden, ist sehr wirkungsvoll. Formen körperlicher Praxis werden seit Jahrhunderten geschätzt und weiterentwickelt. Meditation, Tai Chi und Qi Gong haben neuere somatische und tänzerische Praktiken wie Feldenkrais, Body/Mind Centering und kreative Improvisation inspiriert. All diese Wurzeln tragen zur Tanz-/Bewegungstherapie bei, die Bewegung und Kreativität in den Mittelpunkt des therapeutischen Prozesses stellt.

Bewegung und Entwicklung
Wenn wir jung sind, bilden wir das Gerüst für die neurologische Verarbeitung, die unter der Oberfläche des Bewusstseins stattfindet. Die kumulativen Erfahrungen, die vor dem fünften Lebensjahr gemacht werden, bilden ein implizites Fundament. Säuglinge lernen die Welt über ihren Körper kennen. Die körperliche Beziehung, das emotionale und physische Gehaltenwerden, beeinflusst die Fähigkeit zu vertrauen und sich zu verbinden, zu geben und zu empfangen. Wenn wir uns sicher genug fühlen, entwickeln wir Selbstvertrauen und die Fähigkeit, uns ganz auf das Leben einzulassen und mit Freiheit und Handlungsfähigkeit in die Welt zu gehen.

Frühes Engagement ist entscheidend, da ein Kind implizite innere Landkarten entwickelt, um seine Umwelt zu verstehen und auf sie zu reagieren. Kinder, die emotional und/oder körperlich unsicher sind, entwickeln starrere und weniger flexible neurologische Grundlagen. Im Laufe der Zeit können sich diese Schwierigkeiten in Form von überwältigenden und anhaltenden Ängsten, Schwierigkeiten bei der Emotionsregulation, Impulsivität, Dissoziation und kognitiven Problemen manifestieren. Dies kann zu Schwierigkeiten in allen Lebensbereichen führen. Bewegung und kreatives Spiel fördern körperliches, emotionales und kognitives Wachstum und Resilienz.

Bewegung und Emotionen
Emotionen basieren auf neurologischen Prozessen und funktionieren implizit, unterhalb der Bewusstseinsebene. Was der Verstand als Emotion erlebt, ist seine Interpretation der somatischen Signale des Körpers. Jeder Gefühlszustand erlebt sich im Körper anders. Trauer und Traurigkeit berühren unseren Körper tief, wenn wir einen bedeutenden Verlust erleben. Die Hitze der Wut wird ausgelöst, wenn unsere Grenzen bedroht oder verletzt werden, und wir können die Energie der Emotion auf der Körperebene spüren. Angst und Furcht ziehen uns nach innen. Wenn sich die Umgebung emotional unsicher anfühlt, kann die Erwartung von Enttäuschung und Gefahr zur Entwicklung paradoxer Abwehrstrategien führen, die unbewusst schmerzhafte Dynamiken reproduzieren. Diese Muster können sich als Rigidität oder Chaos manifestieren, die beide die Fähigkeit einschränken, eine tragfähige Beziehung zur Welt aufzubauen.

Emotionen helfen uns zu erkennen, was uns wichtig ist, was wir schätzen, wem wir uns nähern wollen und wann wir Grenzen setzen müssen. Zu wissen, was wir fühlen, ist wichtig, um der Welt einen Sinn zu geben. Wir bewegen uns anders, wenn wir uns sicher und unterstützt fühlen, als wenn wir uns unwillkommen und ausgeschlossen fühlen. Die Auseinandersetzung mit der Welt um uns herum wird durch Neugier, Interesse und Freude motiviert. Tanz bzw. Bewegungstherapie unterstützt das emotionale Bewusstsein, indem sie somatische und implizite Prozesse anregt, die sich auf die mentale Funktion auswirken. Die Teilnehmer lernen, sich mit ihren inneren emotionalen Erfahrungen auseinander zu setzen und diese auf sinnvolle Weise mit anderen zu teilen.

Bewegung und Wahrnehmung
Bewegung als therapeutischer Ansatz ist wirksam, und es gibt einen Grund, warum es so lange gedauert hat, dies zu verstehen. Wir sind von einer Wahrnehmungsillusion ausgegangen, der Illusion, dass der Körper vom Geist getrennt ist. Diese Täuschung wird durch die Komplexität des Gehirns ermöglicht. Im Laufe der Evolution hat sich das Gehirn spezialisiert, abstraktes Denken und implizite Verarbeitung wurden getrennt. Die Bedeutung des Körpers und seine Rolle im Zentrum des menschlichen Erlebens kommen nun zum Vorschein.

Bewusstes Erleben durch verkörperte Orientierung ist grundlegend für ein subjektives Selbstgefühl. Mary Whitehouse hat einen tanz- und bewegungstherapeutischen Ansatz namens Authentic Movement entwickelt, der damit beginnt, das eigene Bewusstsein im gegenwärtigen Moment in den Körper zu bringen. Diese Praxis ermöglicht es der sich bewegenden Person, empfänglich zu werden für unbewusste symbolische Inhalte, die in der Bewegung auftauchen und eine tiefe subjektive Verbindung zu sich selbst zu finden. Authentic Movement bietet einen Weg, emotionale und körperliche Erschöpfung aufzufüllen und wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Es eröffnet neue Dimensionen der Erfahrung und des Seins in der Welt. Die verkörperte Freude, die in Authentic Movement wiederentdeckt wird, kann ein Gefühl berühren, das tief in uns verwurzelt ist – ein Gefühl, das schon immer in uns war.

Schlussfolgerung
Tanz-/Bewegungstherapie fördert Bewegung und Kreativität und wirkt sich positiv auf die Physiologie, die emotionale Belastbarkeit und die kognitiven Funktionen durch bewusste Hingabe und aktive Wahrnehmung aus. Die Interventionen unterstützen die neurologische Integration über mehrere Kanäle, indem sie sowohl implizite (sensorische, emotionale) als auch bewusste neokortikale Prozesse ansprechen. Tanz-/Bewegungstherapie ist vielseitig einsetzbar und eignet sich für ein breites Spektrum von Bevölkerungsgruppen über das gesamte Entwicklungsspektrum hinweg. In vielen Ländern werden wirksame Programme für Menschen mit Stimmungsschwankungen, Schizophrenie, Autismus, chronischen Krankheiten, Hirnverletzungen und Entwicklungsstörungen durchgeführt. Inspirierend ist auch die Arbeit mit sozialen Systemen, die durch Konflikte, Flüchtlinge, Kindersoldaten und Traumata herausgefordert sind. Tanz- und bewegungstherapeutische Ansätze können sowohl persönliche als auch kollektive Heilung fördern, indem sie Erfahrungen von Verbundenheit und Kommunikation über Unterschiede hinweg ermöglichen.

Literatur-Empfehlungen:
· Chaiklin & H. Wengrower (Eds.) (2009). The Art and Science of Dance/Movement Therapy. Life is dance. New York: Routledge.
· Cohen, B. (2018). Basic Neurocellular Patterns. El Sobrante, CA: Burchfield and Rose Press.
· Damasio, A. (2010). Self comes to Mind: Constructing the Conscious Brain. New York: Random House.
· Pallaro, P. (Ed.). (1999). Authentic Movement: Essays by Mary Starks Whitehouse, Janet Adler and Joan Chodorow. London: J. Kingsley Publishers.
· Siegel, D. (2012). The Developing Mind: How relationships and the brain interact to shape who we are. New York: Guilford Press.

Autor*innen

  • Kalila Homann, MA, LPC-S, BC-DMT

    Gründerin und Programmdirektorin des «American Embodied Neurobiology Training Programm»

Unsere Website verwendet Cookies. Durch die weitere Nutzung stimmen Sie der Verwendung zu. Weitere Infos: Datenschutz