Psychosomatik beschäftigt sich mit den psychischen (mentalen, geistigen) und körperlichen Dimensionen von Gesundheit und Krankheit. Eine der wichtigsten mentalen Fähigkeiten von Menschen ist das Bewusstsein, also die Fähigkeit eine individuelle Innenperspektive gegenüber der Welt einzunehmen. Das Bewusstsein ist einerseits ein alltägliches Phänomen, andererseits völlig rätselhaft. Denn: Wie ist es möglich, dass aus den Nervenzellen unseres Gehirns, wo unser Bewusstsein üblicherweise lokalisiert wird, etwas Geistiges wie unser Bewusstsein entsteht?
Damit sind wir inmitten der Körper-Geist-Thematik, die eine Variante des altbekannten Leib-Seele-Problems ist, und für die Medizin/Psychologie – und insbesondere psychosomatische Medizin – von höchster Relevanz ist. Vielfach wird das Bewusstsein mit dem Gehirn gleichgesetzt, also Ich = Gehirn, was nicht nur falsch ist, sondern auch die Gefahr eines radikalen Reduktionismus birgt. Die Phänomenologie von Edmund Husserl bietet einen alternativen Zugang zu diesem Problem mit dem Ziel, geistigen (psychischen) Phänomenen ihre angemessene Bedeutung zu verleihen. Nach Husserl ist Bewusstsein immer schon intentional, d.h. auf etwas gerichtet.
Zuallermeist ist unser Bewusstsein auf das gerichtet, was uns täglich umgibt und beschäftigt, was Husserl als «Lebenswelt» bezeichnet. «Die Lebenswelt ist vielmehr das, was bezogen auf unser alltägliches Tun und Lassen das schlechthin Belangvolle ist». Das bedeutet, dass sich in unserer Lebenswelt bereits Sinn und Bedeutsamkeit sowie Realität erschliesst. Martin Heidegger, einer der bedeutendsten Schüler Husserls, spricht in diesem Zusammenhang vom «In-der-Welt-Sein» als Grundstruktur der menschlichen Existenz.
Sinn/Bedeutsamkeit und Realität unserer Lebenswelt weisen allerdings auch Bedingtheiten auf, die wir als konstitutive Bedingungen der menschlichen Existenz bezeichnen können. Die Lebenswelt und ihre konstitutiven Bedingungen sind der Inhalt und Rahmen der medizinischen und psychotherapeutischen Situation. Eine dieser Bedingungen ist, dass unser Bewusstsein bzw. unsere lebensweltliche Erfahrung immer auch leiblich-körperlich ist (Körper-Seele). Lebensweltliche Horizonte und existenzielle Bedingungen sind Leitlinien und Inhalt jeglicher daseinsgemässen Behandlung.
Literatur-Empfehlungen:
· Gabriel M. (2017). Ich ist nicht Gehirn. Ullstein.
· Denker A., Groth M., Jenewein J., Zaborowski H. (Hrsg). (2023). Heidegger und die Psychiatrie. Verlag Karl Alber.