Ein zentraler Ansatz der Suizidprävention ist, Betroffene zu befähigen, ihre eigenen Ressourcen und Handlungsmöglichkeiten zu nutzen – besonders in Phasen hoher Belastung und suizidalen Krisen. Unsere Therapieprozesse zielen darauf ab, Patientinnen und Patienten in die Lage zu versetzen, sich in ihrer Suizidalität zu managen, indem sie bekannte und neue Strategien einsetzen und dadurch die Suizidgefahr verringern.
Ebenso wichtig ist das Umfeld: Seit über 20 Jahren schule ich neben Betroffenen auch Angehörige und Fachpersonen in Methoden der Suizidprävention, die auf einem kollaborativen Verständnis beruhen. Patientinnen und Patienten wiederum verstehen wir als Expertinnen und Experten ihrer eigenen Leidensgeschichte, deren Erfahrungen in den Behandlungsprozess integriert werden. Durch die Erfassung der «Story behind» lässt sich nachvollziehen, wie es aus Sicht der Betroffenen zur Suizidgefährdung kam. In unserer Klinik bewährt hat sich das von mir initiierte PRISM-S-Verfahren (Pictorial Representation of Illness and Self Measure – Suicidality), das den biografischen Erfahrungsschatz der Betroffenen aktiviert und sichtbar macht. Im Gegensatz zu herkömmlichen Skalen zur Messung der Suizidalität, deren Aussagekraft eher als gering eingeschätzt wird, bietet PRISM-S eine tiefergehende und persönlichere Exploration der Krise. Dies erhöht die Zuverlässigkeit der Suizidrisikoeinschätzung. Auch wissenschaftliche Empfehlungen raten vom Einsatz von Skalen ab und plädieren für ein kollaboratives Vorgehen.
Im interkantonalen vierjährigen Projekt SERO (Suizidprävention einheitlich regional organisiert) haben wir PRISM-S erfolgreich eingeführt. Über 1800 Fachpersonen wurden bisher in der Anwendung geschult. Erste Evaluationen zeigen, dass durch die Einführung von PRISM-S und weiteren Massnahmen (wie dem persönlichen Sicherheitsplan und einer Selbstmanagement-App) die Wiederaufnahmequote (in eine Klinik) von Patientinnen und Patienten mit hohem Suizidrisiko deutlich gesenkt werden konnte. Es hat sich gezeigt: Nachhaltige Suizidprävention, wie wir sie an der Privatklinik Hohenegg praktizieren, erfordert enge Zusammenarbeit von Betroffenen, Angehörigen und Fachpersonen sowie die Förderung von Selbstmanagement-Strategien, die Hilfesuchende dabei unterstützen, die Suizidgefahr zu reduzieren.