Das soziale Umfeld als Aspekt guter Therapie

Erkrankungen jeder Art, psychisch oder physisch, bedeuten für die direkt Betroffenen und deren Umfeld eine aussergewöhnliche Herausforderung. Angehörige nehmen eine zentrale Stellung in der Bewältigung der belastenden Situation ein und stehen gleichzeitig vor der Aufgabe, sensibel mit ihren eigenen Ressourcen umzugehen. Wie die ressourcenorientierte Angehörigenarbeit dabei unterstützen kann, erklären Dr. med. Sebastian Haas und seine Gäste am Hohenegger Symposium.

Dr. med. Sebastian Haas bei seinem Vortrag am Hohenegger Symposium

Privatklinik Hohenegg

Psychiatrisch-psychotherapeutisches Arbeiten findet immer in einem realen sozialen Kontext mit den entsprechenden Systembedingungen statt. Angehörige sind Mit-Betroffene und Beteiligte an der Entstehung und Aufrechterhaltung von Problemen, aber auch deren potenziellen Lösungen. Mit anderen Worten: Angehörige haben eine Schlüsselrolle, sind auch Betroffene und können Einfluss nehmen.

Auf Grundlage dieser Haltung entwickelten wir an der Privatklinik Hohenegg 2015 das interprofessionelle Konzept zu einer Angehörigen-Gruppe, welches sich mittlerweile als „Forum“ gut etabliert hat und monatlich jeweils an Donnerstagen von 18.15-20.15 Uhr mit 12-15 Teilnehmer/innen stattfindet. Das Forum wird in Co-Leitung (je 1 Arzt/Ärztin und 1 Pflegefachperson) moderiert. Die einleitenden Fragen lauten:

  • Wer sind Sie und in welcher Beziehung stehen Sie zu dem/der Betroffenen?
  • Mit welchen Fragen/Anliegen sind sie heute hierhergekommen?
  • Welche Art von Unterstützung wäre aktuell hilfreich für Sie?

Besonders zielführend ist es, wenn es gelingt, mittels PRISM die aktuelle Beziehung zum betroffenen Angehörigen zu reflektieren und daraus abzuleiten, was der/die Angehörige aktuell für sich selber am meisten braucht. Diese 1. Runde dauert bis zu 30 Minuten und dient der Themensammlung am Flipchart, worauf später wieder Bezug genommen werden kann.

Im nächsten Abschnitt werden Inhalte zum Krankheitsverständnis und eigener Bewältigung vermittelt: Hilfreiche Haltungen und Verhaltensweisen sowie der Umgang mit belastenden Situationen und die Kommunikation mit den betroffenen Angehörigen gehören zu den am häufigsten diskutierten Themen. Meist tritt der Wunsch nach Informationen zu psychischen Erkrankungen, Therapien & Medikamenten danach in den Hintergrund. Fragen werden jederzeit aufgenommen. Zuletzt werden die am Flipchart gesammelten Anliegen und Fragen im Sinne einer Zielüberprüfung aufgenommen und beantwortet.

Der Abend endet mit einem gemeinsamen Apéro, bei dem die Teilnehmenden noch gezieltere Fragen bilateral stellen können. Die Schweigepflicht gegenüber den Behandlern bleibt gegenseitig stets gewahrt.

Das Forum für Angehörige wird regelmässig evaluiert, zeigt hohe Zufriedenheitswerte und wird als sehr hilfreich erlebt. Neben der Zielgruppe Partner/innen, Familie, Freunde, Angehörige gehört zum sozialen Kontext auch das erweiterte Umfeld: Hierzu zählen Helfernetze, Spitex, Beistände etc. Auch diese sollten stets wertschätzend berücksichtigt und wenn möglich in die Behandlung einbezogen werden.

Das Matrix-Modell hilft bei der Unterscheidung, ob, so wie in Paar- und Familiengesprächen, der Fokus primär auf der Diagnostik (klärende Perspektive) liegt oder ob die Gespräche wie beim erweiterten Helfer-System v.a. das Ziel einer besseren Bewältigung haben, d.h. eine gemeinsame, kooperative Haltung zu fördern.

Zuletzt hilft der therapeutische Kompass dabei, sich in den Wirklichkeits- und Möglichkeitsräumen des Systems zu orientieren und kontextbezogen geeignete Interventionen gewinnbringend einzusetzen.

Neuerdings können sich auch Angehörige selber zu Peers ausbilden lassen – siehe unter www.angehoerigen-begleitung.ch

Autor*innen

  • Dr. med. Sebastian Haas

    stv. Ärztlicher Direktor

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