Die lösungsorientierte Maltherapie im klinischen Setting

In der Klinik beschreiben Patientinnen und Patienten sehr häufig Symptome wie Unruhe und Anspannung oder starke Gefühle wie Angst oder Wut, die sie sehr belasten. Manchmal leiden sie auch an störenden Erinnerungsbildern, die für sie nicht beeinflussbar sind. Im lösungsorientierten Malen (LOM©) arbeitet man direkt mit diesen Symptomen, Gefühlen oder Bildern.

LOM ist eine kunsttherapeutische Methode, die das Ziel hat, durch das Malen das emotionale und körperliche Erleben so zu verändern, dass sich Spannung lösen kann (vgl. Ciompi/Endert, 2011). Dabei wird sowohl die Art des visuellen Reizes als auch die haptische Erfahrung genutzt, um das vegetative Nervensystem direkt zu beeinflussen (vgl. LeDoux, 2010).  

Gearbeitet wird mit konkreten Anliegen, z.B. mit belastenden Gefühlen oder mit traumatischen Bildern. Ziel ist es, die bestehende Belastung durch ein Symptom oder ein verstörendes Bild zu verringern. Durch die neuen, weniger belastenden visuellen Eindrücke wird auch eine Veränderung des emotionalen Erlebens möglich. 

Frau S. kam aufgrund eines Suizidversuchs nach Erstversorgung in einem somatischen Spital in die Klinik Hohenegg. Auch Wochen nach dem Ereignis spürte sie noch eine starke innere Unruhe und grosse Angst. Das belastete sie sehr. In der Maltherapie wurde zunächst mit der Angst gearbeitet. Im ersten Bild malte sie eine Metapher für die Angst. Unter Metapher versteht man im LOM ein neutrales Bild, das von der malenden Person als alltäglich und nicht bedrohlich wahrgenommen wird. Fr. S. malte eine Erdbeere. Während des Malens war ihre Angst zunächst sehr hoch, verbunden mit starker vegetativer Unruhe. Es fiel ihr schwer, das Bild zu beginnen, daran zu arbeiten und auch es zu vollenden. Mithilfe der therapeutischen Begleitung gelang ihr dies. Sie erlebte schon während des Arbeitens, dass die Angst und Unruhe nachliessen. Die Symptome waren für sie weniger belastend. Das hielt auch nach dem Malen an. 

Sie erhielt ihr Bild in Kleinformat und nahm es ins Biofeedback mit, um es während der Atemübungen anzuschauen. Auch hier hatte das Bild sofort einen Effekt (Vertiefung und Verlangsamung der Atmung). Ein gutes Beispiel dafür, wie im klinischen Setting Synergien zwischen den Therapien entstehen und die Wirkung verstärken.

Nach einigen Wochen fühlte sich Frau S. viel stabiler und war bereit mit den traumatischen Bildern zu arbeiten. Diese tauchten immer wieder auf und verstörten sie sehr. Im LOM werden solche Bilder zunächst genauso gemalt, wie die Patientin sie sieht. Sie hatte ein konkretes Bild von dem Moment vor ihrem Suizidversuch. Beim Malen dieses Bildes tauchten sehr starke Gefühle und Körperreaktionen auf. Im zweiten Schritt übermalte die Patientin das Bild so weit, bis es für sie visuell in Ordnung war, also das Verstörende verschwand. Dann liessen die körperlichen Reaktionen nach und die Gefühle wurden handhabbar. Diese Art des Arbeitens ist nur im Einzelsetting möglich und nachdem vorher eine vertrauensvolle Beziehung aufgebaut wurde. Fr. S. berichtete später, dass sich ihr Erleben nachhaltig verändert habe: „Ich erinnere mich manchmal daran, aber es ist anders, nicht mehr so überflutend.“

Eine Person, die es, wie im Beispiel beschrieben, schafft, ihre unangenehmsten Gefühle und Bilder beim Malen zu durchleben und zu verändern, erfährt sich als handlungsfähig und selbstwirksam. Das unterstützt die Heilung.

 

Literatur:

Egger, B. Merz, J. (2013) Lösungsorientierte Maltherapie. Bern: Verlag Hans Huber.
Ciompi, L., Endert, E. (2011). Gefühle machen Geschichte. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
LeDoux, J. (2010). Das Netz der Gefühle. München: dtv.

Autor*innen

  • Karin Lorenz

    Maltherapeutin

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