Integrative Medizin in der Psychiatrie

Kunst-, Körper- und Musiktherapie sowie Komplementärmethoden zählen als sogenannte nonverbale Therapien zu den erfahrungsorientierten psychotherapeutischen Verfahren. Erfahrungen erreichen uns über unsere Sinne. Nur ein kleiner Teil davon ist jedoch dem Verstand zugänglich und kann als explizites Wissen mit Worten ausgedrückt werden. Dagegen kann implizites Wissen nur indirekt, d.h. über das «Er-leben» von Körperempfindungen, z.B. über Bilder, Töne oder Bewegungen entschlüsselt oder angeeignet werden. Spezialtherapien wirken bei diesem Prozess als «Katalysator» und damit als oftmals erhellend erlebter Zwischenraum.

Die integrative Medizin verbindet komplementäre und konventionelle (Schul-)medizin. Jede Kultur hat über Jahrtausende ihre Heilmethoden hervorgebracht. Viele davon haben ihren Weg in unser Gesundheitswesen gefunden.  Sie werden nicht mehr nur alternativ – d.h.  anstelle – konventioneller schulmedizinischer Methoden eingesetzt sondern komplementär – d.h. ergänzend. Dazu müssen sie ausreichend wissenschaftlich belegt sein und von ausgebildeten Fachpersonen angewandt werden. Ziel ist die Linderung von Beschwerden wie Angst, Stress oder Schmerzen und Förderung der Selbstheilungskräfte.

In der Psychiatrie ist die Integration komplementärer Therapien weit fortgeschritten – Kunsttherapien mit ihren Vertiefungsrichtungen Tanz-, Gestaltungs-/Mal- oder Musiktherapie sowie Bewegungstherapien wurden bereits Ende des 19. Jahrhunderts in die Behandlung psychisch Kranker integriert und zählen zum Standard multimodaler psychotherapeutischer Komplexbehandlungen. Zunächst wurden sie als «Heil-Hilfs-Verfahren» sogenannt diätetisch eingesetzt um den «Gemüthskranken» zu erheitern und zerstreuen «um ihn seinem krankhaften Ideengange… zu entfremden». 

Dies entspricht dem Prinzip von Achtsamkeit und Akzeptanz, welches ab den 1970-er Jahren via amerikanische Mediziner aus dem fernöstlichen Gesundheitswissen für die westliche Medizin adaptiert wurde. Weitere Impulse sind den Forschungen zu Salutogenese und Resilienz zu verdanken, welche die Bedeutung der Ressourcenförderung für die Therapie aufzeigen. 

Kunst- und Bewegungstherapien ermöglichen in prozessorientiertem Vorgehen viszeralmotorische, sub-symbolische Repräsentanzen in einen non-verbal bildhaften Repräsentationsmodus überzuführen, intrapsychische sowie interpersonelle Konflikte zu explizieren und der psychotherapeutischen Behandlung zugänglich zu machen oder direkt mit non-verbalen Interventionen zu behandeln.

Mehr übungsorientiert sind Methoden, die als Body-Mind-Medizin zusammengefasst werden. Die Behandlungen sind funktional ausgerichtet. Den aktuell steilsten Erkenntniszuwachs weist die Sportpsychiatrie auf, welche den Effekt von Bewegung auf Gesundheit generell herausarbeitet– unabhängig von der Art der körperlichen Aktivierung – sei es Walken, Yoga oder Tanzen. 

Die Integration verschiedener, durch diverse Methoden erreichter, therapeutischer Teilprozesse erfordert interprofessionelle Kommunikation und eine gute Fallführung. Vergleichbar der Medikation gilt es Indikationen, Interaktionen und Nebenwirkungen zu berücksichtigen und Überbehandlung zu vermeiden.  

Autor*innen

  • Dr. med. Felicitas Sigrist

    Leitende Ärztin, Leiterin Angebotsentwicklung

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