Konsiliar- und Liaisonpsychiatrie und -psychosomatik (K&L) im Gastbeitrag von Prof. Urs Hepp

In einer prägnanten Übersicht weist Prof. Dr. med. Urs Hepp nachdrücklich auf die Notwendigkeit integrativer Behandlugnsmodelle hin, um eine umfassende Gesundheitsversorgung zu gewährleisten.

Viele Menschen in Spitälern leiden neben den körperlichen Erkrankungen auch an psychischen Problemen. Mit steigender Lebenserwartung nimmt auch die Zahl von Patientinnen und Patienten mit komplexen Gesundheitsproblemen und Mulitmorbidität zu. Vereinfacht können drei Gruppen von Betroffenen mit somato-psychischen Problemen identifiziert werden (1):

  • Primär körperlich kranke Menschen mit sekundären psychischen Störungen (z. B. akuter Verwirrungszustand (Delir) als Folge eines Infektes; depressive Reaktion im Rahmen einer onkologischen Erkrankung)
  • Menschen mit primär psychischen Störungen mit sekundären körperlichen Folgen (z. B. Magersucht mit schweren körperlichen Mangelerscheinungen)
  • Menschen mit somato-psychischer Komorbidität i. d. S., d. h. Vorliegen von zwei Erkrankungen, die nichts miteinander zu tun haben (z. B. Schizophrenie und gleichzeitige Krebserkrankung)

Auswirkungen somato-psychischer Komorbidität
Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen haben eine um 10 bis 20 Jahre reduzierte Lebenserwartung (2). Die «verlorenen» Lebensjahre gehen dabei mehrheitlich zulasten somatischer Erkrankungen. Dabei sind kardiovaskuläre und respiratorische Erkrankungen, Infektionen und Krebs die häufigsten Ursachen der erhöhten Mortalität. Alkohol-, Drogen- und Tabakkonsum, Fehlernährung und Übergewicht, sowie mangelnde Bewegung sind weitere Faktoren (3). Komorbide somatische und psychische Erkrankungen führen zu deutlich erhöhtem Mortalitätsrisiko und verkürzter Lebenserwartung (4).

Für die Schweiz konnte das Obsan nachweisen, dass somato-psychische Komorbidität zu längeren Spitalaufenthalten, häufigeren Re-Hospitalisierungen und höheren Kosten führen (5). Der frühe Einbezug psychiatrisch-psychologischen Knowhows in die Behandlung körperlicher Erkrankungen wäre deshalb von entscheidender Bedeutung und könnte dazu beitragen, Kosten und Ressourcen einzusparen (1, 5, 6).

Die Konsiliar- und Liaisonpsychiatrie und -psychosomatik (K&L)
Werden die psychiatrisch-psychosomatischen Fachpersonen punktuell (einzel-)fallbezogen beratend beigezogen, spricht man von der klassischen Konsiliarpsychiatrie. Wenn die Fachspezialistinnen und -spezialisten in die interprofessionellen Behandlungsteams integriert sind und z. B. auch regelmässig an Visiten und Besprechungen teilnehmen, spricht man von liaison-psychiatrischen Diensten. Durch Schulung der somatischen Teams können der notwendige Wissenstransfer erfolgen und die somatisch tätigen Teammitglieder befähigt werden, die alltäglichen psychischen Probleme selbständig zu handhaben. Heute kommt zunehmend den Advanced Practice Nurses (APN) als Bindeglied zwischen den somatischen Behandlungsteams und den K&L Diensten eine Bedeutung zu.

In einzelnen Fachgebieten wie z. B. der Onkologie ist es heute Standard, dass die Psychoonkologie Teil der Behandlung ist. Gemäss WHO gilt das Motto «There is no health without mental health». Dieses Bewusstsein fehlt aber leider noch vielerorts und konsiliar- und liaisonpsychiatrische Leistungen werden mangels nachhaltiger Finanzierung oft entgegen der Evidenz «eingespart».

Weder somatische Spitäler noch psychiatrische Kliniken sind optimal auf die Bedürfnisse von Menschen mit somato-psychischer Komorbidität ausgerichtet. Die K&L-Psychiatrie übernimmt hier eine entscheidende Rolle an der Schnittstelle zwischen körperlichen und psychischen Problemen. Damit eine integrierte Versorgung gelingt, muss das interprofessionelle Zusammenspiel zwischen somatischen und psychiatrisch-psychologischen Leistungserbringenden über alle Behandlungssettings gut koordiniert werden.

Quellen:

  1. Hepp U. Situation der konsiliar- und liaisonpsychiatrischen Versorgung in der Akutsomatik im Raum Zürich. Bericht im Auftrag des Gesundheitsnetzes 2025 (GN2025). Zürich: Gesundheitsnetzes 2025 (GN2025); 2022.
  2. Nordentoft M, Wahlbeck K, Hallgren J, Westman J, Osby U, Alinaghizadeh H, et al. Excess mortality, causes of death and life expectancy in 270,770 patients with recent onset of mental disorders in Denmark, Finland and Sweden. PLoS One. 2013;8(1):e55176.
  3. Liu NH, Daumit GL, Dua T, Aquila R, Charlson F, Cuijpers P, et al. Excess mortality in persons with severe mental disorders: a multilevel intervention framework and priorities for clinical practice, policy and research agendas. World Psychiatry. 2017;16(1):30-40.
  4. Momen NC, Plana-Ripoll O, Agerbo E, Christensen MK, Iburg KM, Laursen TM, et al. Mortality Associated With Mental Disorders and Comorbid General Medical Conditions. JAMA Psychiatry. 2022;79(5):444-53.
  5. Tuch A. Somatisch-psychische Komorbidität in Schweizer Akutspitälern. Prävalenz und Inanspruchnahme. (Obsan Bulletin 1/2018). Obsan Bulletin 2018.
  6. Schlapbach M, Ruflin R. Koordinierte Versorgung für psychisch erkrankte Personen an der Schnittstelle «Akutsomatik – Psychiatrie resp. psychiatrische Klinik» – Schlussbericht. : socialdesign ag im Auftrag des Bundesamtes für Gesundheit (BAG); 2017.

Autor*innen

  • Prof. Dr. med. Urs Hepp

    Co-Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Konsiliar- und Liaisonpsychiatrie und -psychosomatik

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