Chancen der modernen Pharmakotherapie

Je besser die Wirkungsdosis und die Nebenwirkungsrate von Antidepressiva und Neuroleptika individuell eingeschätzt werden kann, desto verträglicher und effektiver ist die Behandlung.

Je besser die Wirkungsdosis und die Nebenwirkungsrate von Antidepressiva und Neuroleptika individuell eingeschätzt werden kann, desto verträglicher und effektiver ist die Behandlung.

Foto von Karolina Grabowska auf Pexels

Heute gehören Psychopharmaka in der Schweiz zu den meistverordneten Medikamenten.

Die Geschichte und Entwicklung der Psychopharmaka begann in der „goldenen“ Ära der 1950er Jahre mit der Entdeckung der Neuroleptica, (Chlorpromazin), des Lithiums, des Methylphenidats (Ritalin) sowie der ersten Tranquilizer (Chlordiazepoxid) und Antidepressiva (Imipramin). Die psychiatrische Pharmakotherapie stellte die Behandlung der Patientinnen und Patienten damit auf eine neue Grundlage und führte ab Mitte der 70er Jahre zum Begriff der „biologischen“ Psychiatrie. Viele der 1.-Generations-Psychopharmaka wiesen jedoch ein ungünstiges Nebenwirkungsprofil auf. In den 90er Jahren kam es zur Neuzulassung besser verträglicher Neuroleptica (sog. Atypika) und selektiver wirkender Antidepressiva (SSRI und SNRI), welche bei ähnlicher Wirksamkeit weniger spürbare Nebenwirkungen aufwiesen als die klassischen Antidepressiva. Der „massgeschneiderte“ Einsatz von Psychopharmaka erhöhte die Akzeptanz und Verbreitung in der Bevölkerung.

In den Nuller-Jahren verminderte sich die vom „Jahrzehnt des menschlichen Gehirns“ der 90er Jahre stimulierte Innovationskraft allmählich. Seit etwa zehn Jahren spricht man bei neuen Präparaten deshalb meist von Scheininnovationen (Me-Too) oder erprobt lediglich neue Darreichungsformen. Immerhin konnten in der klinischen Routine Erfahrungen mit Hochdosis-Therapien, gezielten Plasmaspiegelmessungen (TDM) und Software-basierten Interaktions-Checks gewonnen werden, welche die Sicherheit und Beratungsqualität verbessert haben.

Weiterentwicklung der Pharmakotherapie

An der Privatklinik Hohenegg versuchen wir, die Psycho-Pharmakotherapie in vielerlei Hinsicht weiter zu entwickeln:

Aktuell wird Aspekten der Medikamenten-Compliance, Adhärenz und Placebo vermehrt Beachtung geschenkt. In jüngster Zeit wurde zum Beispiel nachgewiesen, wie wichtig der Glaube an die Heilkraft eines Mittels ist und wie dieser ungeachtet der tatsächlichen Wirksamkeit (Verum-Effekt) über positive Erwartungshaltungen und bestimmte Konditionierungen zum Therapieerfolg führen kann: Mit der Einführung unserer Medikamentenkarten, basierend auf gemeinsam erarbeiteten Patienten-Wünschen zum Prozess der Medikamentenverschreibung und -abgabe, gelang es uns in der Hohenegg, diesen „positiven“ Placebo-Mechanismus aktiv zu fördern.

Über ein ebenfalls neu eingerichtetes „Pharmaboard“ diskutieren unsere fallführenden Ärztinnen und Psychologen regelmässig über komplexe Fälle und legen Strategien für eine möglichst effektive Pharmakotherapie fest. Bei unserem Spital-Apotheker lassen sich zudem bei Fragen zur Pharmakokinetik oder unerwünschten Nebenwirkungen klinisch-pharmakologische Konsilien beantragen.

Über die systematische pharmakogenomische Testung gehen wir nun im Rahmen eines Pilotprojektes noch einen Schritt weiter, um die Wirkungsdosis und die Nebenwirkungsrate von Antidepressiva und Neuroleptika individualisiert einschätzen zu können.

Autor*innen

  • Dr. med. Sebastian Haas

    stv. Ärztlicher Direktor

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